Das Auswärtige Amt bietet in Kooperation mit dem Goethe-Institut ein themenorientiertes Sprachkursprogramm speziell für höhere EU-Bedienstete und Ministerialbeamte aus EU-Partnerländern und weiteren europäischen Nachbarländern an, um Deutsch als Arbeits- und Verhandlungssprache in der EU zu stärken.
Lesen Sie dazu ein Gespräch mit Herrn Guido Kemmerling, Referatsleiter im Referat Deutsches Personal in EAD und EU-Institutionen, Förderung der deutschen Sprache in EU-Institutionen, amtsinterne EU-Fortbildung, EU-Kolleg.


Dolmetscherkabine im EU-Parlament © picture alliance

Herr Kemmerling, die heutige Sprachenvielfalt -es gibt 24 Amtssprachen in der EU - basiert auf einer EU-Verordnung von 1958, die Deutsch neben Französisch, Italienisch und Niederländisch als Gründungssprache benennt. Kann sich die deutsche Sprache in der Brüsseler Realität behaupten?


Deutsch hört man häufig, wenn man in Brüssel ist. Denn viele EU-Beamte und viele in Brüssel arbeitende Diplomaten und Interessenvertreter sprechen gut Deutsch. Die Bedeutung der deutschen Sprache in den EU-Institutionen zeigt sich auch in ihrer Verwendung in wichtigen Gremien: Im Kollegium der Kommissare, dem höchsten Entscheidungsgremium der Kommission, wird Deutsch als eine von drei Sprachen gesprochen. Das Gleiche gilt für den Ausschuss der Ständigen Vertreter, der alle Ratsbeschlüsse billigen muss. Deutschdolmetscher werden besonders häufig benötigt, weil eine Reihe von EU-Amtssprachen zunächst ins Deutsche übersetzt werden, um dann weiter in andere Sprachen übertragen zu werden. Gute Deutschkenntnisse sind von Vorteil, wenn man in Brüssel arbeitet.

Deutsch ist mit mehr als 100 Millionen Sprechern nach Russisch und Englisch die am häufigsten gesprochene Sprache in Europa. Allein in Polen, Russland und Frankreich wird von rund 5,5 Millionen Menschen Deutsch gesprochen. Inwiefern wird dieser Tatsache in der EU-Sprachpolitik Rechnung getragen?


In der EU sind in erster Linie die Mitgliedstaaten für die Sprachpolitik zuständig. Die Förderung der deutschen Sprache ist uns natürlich ein Anliegen, das von Österreich geteilt wird. Wir freuen uns, dass in einer Reihe von EU-Staaten das Interesse an der deutschen Sprache in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Auf EU-Ebene arbeiten die Mitgliedstaaten zu Fragen der Bildungspolitik einschließlich der Sprachpolitik eng zusammen, tauschen ihre Erfahrungen aus, entwickeln Empfehlungen und legen bei Bedarf Förderprogramme auf. Ein Beispiel für ein erfolgreiches Programm ist ERASMUS, das es Studierenden ermöglicht, ein Semester lang eine Universität in einem anderen EU-Staat zu besuchen. Viele europäische Studenten kommen dank ERASMUS nach Deutschland und verbessern dort ihre Deutschkenntnisse und lernen unser Land besser kennen.

2002 schrieb sich daher der Europäische Rat den Slogan Muttersprache +2 auf seine Fahnen. Neben der eigenen Sprache sollten zwei weitere Fremdsprachen als Garant für sprachliche Flexibilität und lebendige Offenheit hinzukommen. Wie kann man vor diesem Hintergrund die Herunterstufung des Kommissariats für "Mehrsprachigkeit" auf einen Teilbereich des Kommissariats "Bildung, Kultur und Jugend" beurteilen? Geht der Trend wieder in eine andere Richtung?


In der Kommission genauso wie in anderen EU-Institutionen bleibt man sich bewusst, dass die Mehrsprachigkeit für das europäische Projekt von großer Bedeutung ist. Daran hat sich in den letzten Jahren nichts geändert. Aber organisatorische Veränderungen sind gelegentlich notwendig, um die Effizienz einer Institution zu steigern. Wir haben die Verkleinerung der Zahl der Kommissariate als einen solchen Reformschritt begrüßt. Im Übrigen gibt es auch in Deutschland kein Bundes- oder Landesministerium, das allein für den Sprachunterricht zuständig ist. Doch daraus sollte man nicht den falschen Schluss ziehen, dass bei uns der Sprachunterricht an Bedeutung verlöre.

Abschließend die Frage nach dem Budget: Wie tief muss der EU-Bürger für diese Mehrsprachigkeit in die Tasche greifen?

Eine Fremdsprache zu erlernen, ist für jeden eine große Investition an Zeit und Geld. Guter Fremdsprachenunterricht ist nicht billig. Aber er lohnt sich! Sprachkenntnisse machen es so viel leichter, sich gegenseitig zu verstehen. Fremdsprachen zu lernen heißt, sich auf andere Denkweisen einzulassen. Wenn man den Blickwinkel anderer Kulturen kennenlernt, erfährt man viel über sich selbst. Dies genau ist der Vorteil sprachlicher und kultureller Verschiedenheit. Sie ist ein Kennzeichen der europäischen Integration. Nicht in die Mehrsprachigkeit zu investieren hieße, am falschen Ende zu sparen.

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kemmerling!