Ministerialdirektor Rüdiger König, Leiter der Abteilung für Krisenprävention, Stabilisierung, Konfliktnachsorge und humanitäre Hilfe



"sich als Vorreiter in den relevanten Fragen des internationalen humanitären Systems engagieren und gestaltend einbringen"



Herr König, internationale Politik heute ist permanent im Krisenmodus“ schrieb Frank-Walter Steinmeier in einem Artikel für die FAZ. Mit welchen außenpolitischen Instrumenten kann die Diplomatie, die „Königsdisziplin der Außenpolitik“, auf die permanent wachsenden Krisenheerde dieser Welt adäquat reagieren?

Diplomatie selbst ist weiterhin der Kern unseres Krisenengagements: Das bedeutet konkret: zu versuchen, die Konfliktparteien im Dialog zu halten und einen fairen Interessenausgleich herbeizuführen, solange das Kind noch nicht in den Brunnen gefallen ist. Ist die Krise ausgebrochen, kommen Stabilisierungsinstrumente zum Einsatz. Vernetztes Handeln bedeutet dabei, dass alle Instrumente der Bundesregierung so eingebracht werden, dass sie ihren Zweck am besten erfüllen können. Da spielt das Militärische eine Rolle, ob als Einsatz oder als Ausbildung oder Ertüchtigung. Da spielen die vom Auswärtigen Amt beauftragten Vorhaben zur Mediation, zur Sicherheitssektorreform oder zur Stabilisierung nach einer militärischen Auseinandersetzung eine Rolle. Und da spielen frühe Formen der Entwicklungszusammenarbeit eine Rolle, die den betroffenen Menschen vermitteln: Es gibt eine langfristige Perspektive. Flankiert wird das alles durch eine Humanitäre Hilfe, die strikt am Bedarf orientiert ist und insoweit außerhalb politisch motivierter Stabilisierungsbemühungen steht – aber natürlich doch den Menschen vor Ort hilft und Teil der Krisenbewältigung ist.

Die neue Abteilung S im Auswärtigen Amt ist aus der Umsetzung des review-Prozesses hervorgegangen, der einen kritischen Blick auf die Grundkoordinaten deutscher Außenpolitik geworfen hat. Die Prämisse war: die Welt hat sich verändert, daher muss sich auch das Auswärtige Amt verändern. Was wurde in dieser Hinsicht erreicht und was kann noch verbessert werden?

Das Auswärtige Amt hat schon lange Maßnahmen der Krisenprävention, der Konfliktbearbeitung und der Friedensschaffung unterstützt. Wir haben diese Arbeit ausgebaut und aufgestockt und – das ist mindestens genauso wichtig – durch eine enge Verzahnung mit der Wissenschaft, die konzeptionellen Grundlagen dieser Arbeit verbessert. Heute verstehen mehr Menschen im Auswärtigen Amt, wie gute Rechtsstaatsförderung funktioniert, wie man gute Programme zur Sicherheitssektorreform auflegt und wie man bei Stabilisierungsaktivitäten sicherstellt, dass sie keine oder weniger ungewünschte Nebenwirkungen haben. Zudem sind wir besser darin geworden, krisenhafte Entwicklungen in Szenarien zu fassen und unsere Handlungsoptionen daran auszurichten. Das hilft auch dabei, eine wirkliche Vernetzung mit den Aktivitäten anderer Ministerien zu schaffen, die sich in diese Szenarienentwicklung mit einbringen.

Wir gehen dabei Schritt für Schritt voran und werden aus eigenen Fehlern hoffentlich schlauer. Dabei helfen uns mehr und bessere Evaluierungen, die im Kern immer danach fragen: Was können wir in Zukunft besser machen?

Humanitäre Katastrophen erfordern unmittelbare und unbürokratische Hilfe. Welche Ressourcen werden dafür zur Verfügung gestellt?

Die im Auswärtigen Amt verankerte humanitäre Hilfe im Ausland hat sich seit 2012 inhaltlich, personell und finanziell neu aufgestellt:

Heute ist die Bundesregierung nicht nur der drittgrößte staatliche Geber humanitärer Hilfe weltweit, in einzelnen Kontexten wie der Syrienkrise ist sie derzeit auch der größte Geber. Der Humanitäre Weltgipfel vom Mai 2016 hat uns darin bestärkt, uns weiter als Vorreiter in den relevanten Fragen des internationalen humanitären Systems zu engagieren und uns gestaltend in die Fortentwicklung des humanitären Systems und seiner Effizienzsteigerung einzubringen.

Die Strukturen im Auswärtigen Amt wurden gestärkt: der Personalbestand hat sich seit 2012 mehr als verdoppelt und auch die organisatorischen Strukturen innerhalb der Abteilung S wurden gestärkt, um den Herausforderungen einer dramatisch schlechten humanitären Weltlager besser gewachsen zu sein. Die Haushaltsmittel für humanitäre Hilfe sind in den vergangenen vier Jahren deutlich aufgewachsen, so dass uns im Jahr 2016 gut 1,1 Mrd. EUR für Hilfsprojekte in humanitären Krisenlagen weltweit zur Verfügung stehen.

Herr König, wir danken Ihnen für das Gespräch.