Vortragender Legationsrat (VLR) Dr. Lukas Wasielewski, stellvertretender Referatsleiter 500
Herr Wasielewski, die Bundeswehr ist in vielen Regionen weltweit im Friedenseinsatz:
Nehmen wir z.B. den Einsatz im Kosovo, der jetzt nach 20 Jahren zu Ende geht oder Mali, der der zweitgrößte Auslandseinsatz hinter Afghanistan ist. Auf welcher Rechtsgrundlage basieren diese Einsätze?
Die Auslandseinsätze der Bundeswehr, die Sie ansprechen, sind solche, bei denen die Bundeswehr in eine bewaffnete Unternehmung einbezogen wird oder zumindest einbezogen werden kann. Alle derartigen Auslandseinsätze der Bundeswehr bedürfen einer völkerrechtlichen wie auch verfassungsrechtlichen Grundlage. Diese sind jeweils in den Mandaten des Deutschen Bundestags, die für jeden bewaffneten Auslandseinsatz der Bundeswehr seitens der Bundesregierung eingeholt werden, aufgeführt. Derzeit gibt es elf Mandatierungen des Deutschen Bundestags für Auslandseinsätze der Bundeswehr.
Völkerrechtlich basieren diese elf Mandate auf verschiedenen Grundlagen. Zum einen gibt es die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen durch eine Resolution gemäß Kapitel VII der VN-Charta mandatierten Missionen. In einer solchen Resolution des VN-Sicherheitsrats werden auch Umfang und zeitliche Begrenzung des völkerrechtlichen Mandates zum Einsatz von Militär festgelegt. Ein Beispiel hierfür ist die von Ihnen erwähnte NATO-Operation in Kosovo, KFOR. Mandatierungen durch die Vereinten Nationen stellen bei der Mehrzahl der Auslandseinsätze der Bundeswehr die völkerrechtlichen Grundlagen dar.
Daneben gibt es die Auslandseinsätze, bei denen sich die Bundesrepublik Deutschland auf das kollektive Selbstverteidigungsrecht gemäß Artikel 51 der VN-Charta beruft und gemeinsam mit anderen Staaten einen Angriff auf den Weltfrieden und die internationale Sicherheit abwehrt. Hier ist etwa die Beteiligung Deutschlands am Anti-IS-Einsatz zu erwähnen.
Schließlich gibt es Bundeswehreinsätze, die auf Einladung und mit Zustimmung des Staates erfolgen, in dem die Bundeswehr eingesetzt wird. Dies ist zum Beispiel bei den Ausbildungsmissionen in Afghanistan und Irak der Fall. Hier unterstützt die Bundeswehr den Fähigkeitsaufbau nationaler Sicherheitskräfte. Da dies in einem gefährlichen Umfeld erfolgt, in welchem auch eine Verwicklung der Bundeswehr in bewaffnete Auseinandersetzungen möglich ist, ist auch für diese Einsätze ein Mandat des Deutschen Bundestags erforderlich.
Die verfassungsrechtlichen Grundlagen für Auslandseinsätze der Bundeswehr hat das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Grundsatzurteil vom 12. Juli 1994 klargestellt und in mehreren Folgeentscheidungen weiter konkretisiert. Danach kann sich die Bundeswehr an Auslandseinsätzen beteiligen, wenn diese im Rahmen eines Systems gegenseitiger kollektiver Sicherheit erfolgen (Artikel 24 Absatz 2 des Grundgesetzes). Ein solches System kollektiver Sicherheit sind insbesondere die Vereinten Nationen, aber auch die NATO und die Europäische Union.
Für den militärischen Einsatz der Streitkräfte im Ausland gilt ein konsti-tutiver Parlamentsvorbehalt, und zwar im konkreten Einzelfall. Dieser Vorbehalt gilt auch dann, wenn bereits ein völkerrechtliches Mandat in Gestalt einer Reso-lution des Sicherheitsrates der VN vorliegt. Die Modalitäten der Beteiligung des Deutschen Bundestages sind durch das Parlamentsbeteiligungsgesetz vom 18. März 2005 geregelt.
Inwiefern ist die Bundeswehr eine Parlamentsarmee?
Dass die Bundeswehr eine Parlamentsarmee ist, zeigt sich unter anderem darin, dass ihr bewaffneter Einsatz im Ausland vom Deutschen Bundestag beschlossen und fortlaufend kontrolliert wird.
Das Bundesverfassungsgericht hat in dem erwähnten Grundsatzurteil vom 12. Juli 1994 aus dem Gesamtzusammenhang verschiedener verfassungs-rechtlicher Vorschriften und vor dem Hintergrund der deutschen Verfassungstradition seit 1918 dem Grundgesetz ein allgemeines Prinzip entnommen, nach dem jeder Einsatz bewaffneter Streitkräfte der konstitutiven, grundsätzlich vorherigen Zustimmung des Deutschen Bundestags bedarf. Das Bundesverfassungsgericht definiert dabei die Bundeswehr als „Parlamentsheer“, welches in die demokratisch rechtsstaatliche Verfassungsordnung eingefügt ist.
In der Praxis beantragt die Bundesregierung die Zustimmung des Deutschen Bundestages rechtzeitig vor einem geplanten Einsatz. Sie formuliert in ihrem Antrag Einsatzauftrag, Einsatzgebiet, die rechtlichen Grundlagen, die Höchstzahl der einzusetzenden Soldatinnen und Soldaten, die einzusetzenden Fähigkeiten, die geplante Dauer sowie die voraussichtlichen Kosten und die Fi-nanzierung. Der Bundestag kann diesem Antrag zustimmen oder ihn ablehnen; er kann ihn aber nicht ändern.
Bei der Mandatierung der Auslandseinsätze hat sich die Praxis etabliert, die Mandate in der Regel auf ein Jahr zu befristen, so dass, soweit der Einsatz dies erfordert, jährlich eine Verlängerung durch den Bundestag notwendig ist.
Neben den Mandatsdebatten im Deutschen Bundestag befassen sich auch der Auswärtige sowie der Verteidigungsausschuss regelmäßig mit den Auslandseinsätzen der Bundeswehr. Dabei unterrichtet die Bundesregierung den Deutschen Bundestag über die Lage in den Einsatzgebieten der Bundeswehr. Die Mitglieder des Deutschen Bundestags verschaffen sich auch durch Reisen in die Einsatzgebiete bzw. zu den Stützpunkten der Bundeswehr ein eigenes Bild von der Lage.
Danke für das Gespräch!
Das Interview führte Christine Weber-Neumann