Der IStGH ist zuständig dafür, schwere Verbrechen zu ahnden, die die Weltgemeinschaft als Ganzes angehen: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen. Deutschland hatte sich 1998 daran beteiligt, das dem Gerichtshof zugrunde liegenden Römische Statut auszuarbeiten. Zusammen mit anderen gleichgesinnten Staaten setzt Deutschland sich seither für einen effektiven, unabhängigen und glaubwürdigen IStGH ein.

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Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag
Internationale Gerichtsbarkeit



 

1899 trat auf Initiative von Zar Nikolaus II. die erste Haager Friedenskonferenz zusammen. Sie beschloss, einen "Ständigen Schiedsgerichtshof " in Den Haag zu errichten. Dieser setzte sich aus ernannten Sachverständigen des Völkerrechts zusammen und sollte Konflikte zwischen Staaten schlichten. 1922 wurde im Rahmen des Völkerbundes zusätzlich der Ständige Internationale Gerichtshof geschaffen. Seit Gründung der Vereinten Nationen (UN) im Jahr 1945 besteht er als Internationaler Gerichtshof (IGH) weiter.


Der IGH urteilt ebenfalls über Streitigkeiten zwischen Staaten, die seine Zuständigkeit anerkennen.

Heute gibt es eine Vielzahl weiterer internationaler Gerichte wie zum Beispiel den Internationalen Seegerichtshof (ISGH), den Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte, den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), den EFTA-Gerichtshof und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)in Straßburg.

Eine besondere Beachtung verdient der Bereich des internationalen Strafrechts, da hier nicht Konflikte zwischen Staaten behandelt werden, sondern über natürliche Personen gerichtet wird. Die Besonderheit besteht darin, dass ein einmal anerkanntes internationales Gericht ein Urteil unabhängig von den Überzeugungen einzelner Staatsvertreter fällen kann.

Bereits 1872 gab es unter dem Eindruck der Grausamkeiten im preußisch-französischen Krieg von 1870/71 die ersten Forderungen nach Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs. Ebenso nach dem ersten Weltkrieg, in dessen Gefolge die neutralen Niederlande aber die Auslieferung des als Kriegsverbrecher gesuchten Deutschen Kaisers verweigerten.

Erst die während des Zweiten Weltkriegs begangenen Verbrechen führten über die Tätigkeit der Internationalen Militärgerichtshöfe von Nürnberg und Tokio zu neuer Bewegung. Die 1948 beschlossene Völkermordkonvention sah ein internationales Strafgericht vor, zu dessen Gründung es aber nicht kam. Auch spätere Bemühungen im Rahmen der UN blieben vor allem wegen des Kalten Kriegs ohne Erfolg.

1990 beauftragte die UN-Generalversammlung die Völkerrechtskommission, die Errichtung eines Strafgerichtshofs erneut zu prüfen. Die massiven Verstöße gegen das Humanitäre Völkerrecht im zerfallenden Jugoslawien und der Völkermord in Ruanda führten zur Einrichtung zweier ad hoc -Strafgerichtshöfe. Dies gab dem Vorhaben eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs weiteren Auftrieb. 1994 legte die Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen ihren ersten Entwurf für ein Statut eines Internationalen Strafgerichtshofs vor. Die von der Generalversammlung beschlossene Konferenz zur Errichtung eines Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) endete mit der Verabschiedung des Römischen Statuts am 17. Juli 1998. Nachdem 60 Staaten das Römische Statut ratifiziert hatten, trat es am 1. Juli 2002 in Kraft.

Bis Mitte Oktober 2013 wurde das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 122 Staaten ratifiziert, weitere 28 Staaten haben es unterschrieben, aber noch nicht ratifiziert. Die USA, Israel und der Sudan hatten das Römische Statut zunächst unterzeichnet, später aber eine Ratifikation ausgeschlossen und ihre Unterschriften zurückgezogen.

Der IStGH soll weder die nationale Strafgerichtsbarkeit ersetzen noch nationale Verfahren überprüfen. Der Gerichtshof kann nur dann strafverfolgend tätig werden, wenn Staaten nicht willens oder nicht in der Lage sind, eine bestimmte schwere Straftat ernsthaft zu verfolgen (Grundsatz der Komplementarität). Die Gerichtsbarkeit ist auf vier besonders schwere Verbrechen beschränkt: Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und – zukünftig – das Verbrechen der Aggression.



Der Gerichtshof kann seine Gerichtsbarkeit nicht nur ausüben, wenn sich ein Verbrechen in einem Staat ereignet, der die Gerichtsbarkeit des IStGH anerkannt hat, sondern auch dann, wenn der mutmaßliche Täter die Staatsangehörigkeit eines dieser Staaten besitzt. Die völkerrechtspolitische Errungenschaft besteht darin, dass sich Individuen (unter Aufhebung der Immunität) vor einer unabhängigen richterlichen Institution der Staatengemeinschaft verantworten müssen.

Der IStGH ist nicht Teil der Vereinten Nationen, sondern eine eigenständige Internationale Organisation mit Sitz in Den Haag/Niederlande. Der Gerichtshof wird entweder aufgrund einer Initiative eines Vertragsstaates, des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen oder aufgrund eigener Initiative des Anklägers ("proprio motu") tätig.

Mitte Oktober 2013 übte der Gerichtshof seine Gerichtsbarkeit in acht sogenannten Situationsländern aus. Dabei wurde der IStGH in vier Fällen aufgrund einer Beschwerde eines Vertragsstaates tätig (Uganda, Demokratische Republik Kongo, Zentralafrikanische Republik, Mali), jeweils zweimal ging die Initiative vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Sudan/Region Darfur und Libyen) beziehungsweise vom Ankläger (Kenia und Côte d'Ivoire) aus. Laufende Untersuchungen des IStGH, aus denen keine Ermittlungen folgen müssen, gab es Mitte Oktober 2013 für Afghanistan, Georgien, Guinea, Honduras, Kolumbien, die Komoren, Nigeria sowie Südkorea.

Sein erstes Urteil sprach der IStGH gegen den früheren kongolesischen Milizenführer Thomas Lubanga, der wegen der Rekrutierung und des Einsatzes von Kindersoldaten am 10.07.2012 zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt wurde.

Quelle : Bundeszentrale für politische Bildung; Rechte: cc-by-nc-nd